Dispozinsen verzweifelt

Frankfurt 07.10.2012 –– Die Dispozinsen sind zum Politikum geworden: SPD und Verbraucherverbände fordern, dass die Zinshöhe gesetzlich begrenzt wird, doch Kreditwirtschaft und Verbraucherministerium lehnen staatliche Eingriffe ab. Nach jüngsten Pressemeldungen wollen die Banken hoch verschuldeten Kunden nun Kreditalternativen anbieten. Vielleicht wäre es besser, anstelle dieser Luftnummer die Überziehungszinsen stärker zu senken. Dass in dieser Hinsicht noch Platz nach unten ist, zeigen aktuelle Recherchen der FMH-Finanzberatung. Demnach sanken die Dispozinsen zum Quartalsende im Schnitt nur um 0,28 Prozentpunkte.

Das Quartalsende ist der geeignete Zeitpunkt, um nachzuprüfen, inwieweit die Banken die Dispozinsen gesenkt haben. Der Grund liegt darin, dass sich etliche Institute nach dem Euribor richten, jenem Zinssatz, den die Banken für die Geldleihe untereinander verlangen. Änderungen beim Euribor berücksichtigen diese Häuser meist zum Ende des Quartals. Banken, die den Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) als Referenz nutzen, reagieren hingegen schneller. In aller Regel passen sie die Zinsen für die Überziehung des Girokontos innerhalb einer Woche an die geänderten Bedingungen an.

Euribor brach um zwei Drittel ein

Die FMH-Finanzberatung hat nun bei 63 Banken die aktuellen Dispozinsen abgefragt. Das Ergebnis: Die Banken haben den Zinsrückgang im Großen und Ganzen an ihre Kunden weitergegeben; im Schnitt gingen die Überziehungszinsen um 0,28 Prozentpunkte nach zurück. Bedenkt man jedoch, dass die EZB den Leitzins Anfang Juli um 0,25 Prozent gesenkt hat und der Euribor im vergangenen Quartal von 0,65 auf 0,22 Prozent gleichsam eingebrochen ist, hätte man unter dem Strich einen etwas stärkeren Rückgang erwarten können.

Nicht alle Banken geben Zinssenkung weiter

Dass dies nicht so kam, liegt an den vertraglichen Vorgaben mancher Häuser. So mussten einige Banken ihre Überziehungszinsen trotz Euribor-Senkung nicht nach unten anpassen, weil sich dieser Referenzzins erst um 0,5 Prozentpunkte verändern muss, bevor die Bank zum Handeln gezwungen ist – da reicht ein Rückgang von 0,43 Prozent eben nicht aus. Bleibt nur zu hoffen, dass dies bei steigenden Zinsen ebenso gehandhabt wird. Andere Banken wiederum arbeiten mit einem Euribor-Mittelwert über einen längeren Zeitraum, was den jüngsten kräftigen Abschwung offenbar derart ausgleicht, dass keine Anpassung erforderlich wurde. Nicht zuletzt haben viele Banken vertraglich festgelegt, dass sie den Dispozins an den Referenzzins anpassen kann, aber nicht muss.

Wer deutlich senkt, ist noch lange nicht kundenfreundlich

Andererseits haben einige Banken ihre Dispozinsen um einen ganzen Prozentpunkt gesenkt. Ob es aber kundenfreundlich ist, wenn der Zinssatz der BBBank jetzt bei 10,5 Prozent notiert und die Berliner Sparkasse selbst nach der Senkung noch 12,25 Prozent verlangt, muss jeder Kontonutzer selbst beurteilen. Offenbar profitieren die Banken noch immer von der Trägheit der Kunden, die sich insbesondere bei Sparkassen und Volksbanken mit extrem hohen Dispozinsen abfinden, wie die Zeitschrift „Finanztest“ recherchiert hat. Ein Kontowechsel scheint bei vielen Kunden zu einem (emotionalen) Aufwand zu führen, der den Vorteil der Kostenersparnis überwiegt.

Bundesregierung unterstützt Dispo-Abzocke

Auf eben dieser Grundlage können die Banken weiterhin deutlich überzogene Dispozinsen kassieren. Ärgerlich ist, dass sie ausgerechnet vom Verbraucherministerium unterstützt werden. Dessen Chefin, Ilse Aigner (CSU), begnügte sich mit der Zusage der Bankwirtschaft, hoch verschuldete Dispokunden anzusprechen und Alternativen zum Überziehungskredit auszuarbeiten. Solchen Kunden eine andere Kreditart zu empfehlen – wie sollte man das Problem sonst angehen? -, klingt fast wie Hohn und wirft zudem kein gutes Licht auf die Praxisnähe des Ministeriums. Schließlich werden die Banken aller Voraussicht nach nichts anderes tun, als diesen Kunden einen Ratenkredit zu verkaufen.

Ratenkredite als Ausweg? Eher eine Luftnummer!

Das Üble daran: Damit werden sich die betroffenen Personen noch tiefer verschulden. Selbst wenn ein Dispokunde bei permanenter Überziehung seines Kontos um 3.000 Euro einen Zinssatz von zwölf Prozent bezahlt, kostet ihn dies monatlich „nur“ 30 Euro. Bietet die Bank diesem Kunden, dem nicht einmal das Geld für den Lebensunterhalt ausreicht, nun einen Ratenkredit über 60 Monate an, muss er sogar bei einem Spitzenzins von 4,96 Prozent effektiv bereits 56,42 Euro im Monat überweisen – also fast den doppelten Betrag. Würde er den Ratenkredit in nur 36 Monaten zurückzahlen, stiege die monatliche Rate beim besten Angebot auf 89,63 Euro. Der Grund: Beim Ratenkredit muss auch das Darlehen getilgt werden, während die Schuld beim Dispokredit im Grunde nie beglichen werden muss.

Wer eins und eins zusammenzählt, weiß: Dieser Kunde wird bei seiner Bank erneut wegen eines Dispokredites anfragen, um damit seinen Ratenkredit bedienen zu können. So können keine Lösungen aussehen!

Autor: Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung

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