Baufinanzierung spezial 2011

Die Wirtschaftswoche wollte an Hand von aktuellen Zinstabellen zeigen, dass sich sowohl Forward-Darlehen als auch der Abschluss von Darlehen mit langer Zinsbindung lohnen.

WirtschaftsWoche NR. 025 VOM 20.06.2011 SEITE 102

Unter Dach bringen

spezial BAUFINANZIERUNG | Wie sich Immobilieneigentümer die niedrigen Zinsen jetzt langfristig sichern, wann sich Abwarten lohnt.

Immobilienbesitzer, die vor ein paar Jahren gekauft haben, sind fein raus. Zum einen treibt die Inflationsangst die Preise, jedenfalls in den deutschen Metropolen und ihren Speckgürteln. Zum anderen sind die Zinsen im langfristigen Mittel noch unten. Viele Hausbesitzer haben jetzt die Chance, sich günstigere Kredite zu sichern. Kathrin und Klaus Beinhauer zum Beispiel. Ihr Kredit über 250 000 Euro für das Haus in Langweid bei Augsburg läuft zwar noch bis 2013. Trotzdem haben sie jetzt für einen neuen Kredit unterschrieben. “Wir rechnen mit steigenden Zinsen”, sagt Kathrin Beinhauer, “deshalb wollten wir schon jetzt die Konditionen für den Anschlusskredit festzurren.”
Tatsächlich haben die Bauzinsen schon angezogen: Im März zahlten Immobilienfinanzierer für einen Kredit mit zehnjähriger Laufzeit rund 4,2 Prozent Zinsen, einen Prozentpunkt mehr als im Zinstief im August 2010. Wer sich im März 250 000 Euro geliehen hat, zahlt damit insgesamt rund 20 000 Euro mehr für den Kredit. Zwar sind die Kreditzinsen seit März wieder leicht gefallen (siehe Grafik rechts), doch das dürfte nur eine Delle im längerfristigen Zinsanstieg sein. Banken legen Zinsen für Immobilienkredite je nach aktueller Verzinsung für Pfandbriefe fest, die sie selbst nutzen, um sich das nötige Geld zu besorgen. In den vergangenen Monaten haben Profi-Investoren verstärkt Bundesanleihen und solche Pfandbriefe aus Deutschland gekauft, da sie in der Euro-Krise als relativ sicher eingestuft werden. Banken kamen daher günstiger an Geld und haben diesen Vorteil über niedrigere Kreditzinsen weitergereicht.
Sobald Regierungen, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds sich aber auf das nächste Rettungspaket geeinigt und damit eine Staatspleite Griechenlands weiter verschoben haben, dürften Investoren wieder stärker auf die anziehende Inflation und die für Juli erwartete Leitzinsanhebung der EZB achten. Beides spricht tendenziell für steigende Zinsen bei Immobilienkrediten.

Drei Optionen für Hausbesitzer Immobilieneigentümer mit laufenden Krediten haben also Zeit gewonnen. Auf dauerhaft niedrige Zinsen sollten sie aber nicht vertrauen und besser jetzt über eine langfristige Lösung nachdenken. Dabei haben sie drei Optionen.
n 1. Raus aus dem Altkredit: Die meisten Banken lassen Kunden auf Wunsch aus ihrem teuren Altkredit aussteigen. Kunden können dann einen günstigeren Kredit abschließen. Nach zehn Jahren geht das auf jeden Fall und ist kostenfrei: Kunden haben dann ein Sonderkündigungsrecht mit sechs Monaten Frist. Bei Kündigung vor Ablauf der zehn Jahre darf die Bank entgangene Zinsgewinne vom Kunden einfordern (Vorfälligkeitsentschädigung). “Das Umschulden gegen Entschädigung lohnt sich fast nie”, sagt Peter Edinger, Honorarberater aus Bielefeld.

n 2. Anschlusskredit reservieren: Eigentümer mit laufender Finanzierung können sich bis zu fünf Jahre im Voraus die aktuell günstigen Zinsen sichern (Forwards). Banken verlangen dafür einen Zinsaufschlag, bis zu 0,03 Prozentpunkte pro Monat Vorlauf. Oft sind die ersten sechs bis zwölf Monate Wartezeit kostenfrei. Immer mehr Kunden entscheiden sich für solche Forward-Kredite. Im ersten Quartal waren 12,6 Prozent aller abgeschlossenen Immobilienkredite Forwards. Anfang 2010 lag ihr Anteil noch bei 9,2 Prozent.
n 3. Abwarten: Weiter steigende Kreditkosten sind zwar wahrscheinlich. Die aktuelle Pause beim Zinsanstieg zeigt aber auch, dass in den kommenden Monaten kaum mit einem schnellen und starken Zinsanstieg zu rechnen ist. Immobilieneigentümer, denen ein Forward zu teuer ist, können den Ablauf der Zinsbindung ihres Kredits abwarten und erst dann eine neue Finanzierung abschließen. “Das kann auch sinnvoll sein, wenn unklar ist, ob jemand seine Immobilie langfristig behalten will”, sagt Stephan Gawarecki, Vorstandschef des Kreditvermittlers Dr. Klein. Denn schließt ein Eigentümer zum Beispiel einen Forward-Kredit ab, verkauft die Immobilie aber noch vor Auslaufen des Altkredits, “muss er der Bank gleich zwei Mal, für Altkredit und Forward, eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen”.

Wer einen Forward abschließt, wettet auf steigende Zinsen. In den vergangenen zehn Jahren ging die Wette in den meisten Fällen nicht auf: Nur von Sommer 2005 bis Sommer 2008 stiegen die Bauzinsen über einen längeren Zeitraum. Kreditkunden, die in diesem Zeitraum einen Forward abschlossen, kamen auf ein paar Zehntel Prozentpunkte Zinsvorteil, hat die FMH-Finanzberatung errechnet. Sicherte sich ein Eigentümer aber zum Beispiel erst im März 2009 einen Forward mit einem Jahr Vorlauf, musste er im März 2010 letztlich etwa einen halben Prozentpunkt mehr zahlen, als wenn er einfach abgewartet hätte. Wann sich welche Option lohnt, Umschulden, Forward oder Abwarten, zeigt die Musterrechnung (siehe Seite 104).

“Natürlich ist es nicht sicher, dass sich unser Forward im Endeffekt lohnt”, sagt Kathrin Beinhauer. Dem Ehepaar sei aber vor allem die Planungssicherheit wichtig gewesen. Für den Anschlusskredit in zwei Jahren zahlen sie inklusive Forward-Aufschlag rund 4,4 Prozent Zinsen. “Wir haben unser Haus jetzt komplett durchfinanziert und das Thema aus dem Kopf.”
Die meisten Kunden schlössen einen Forward ab, um langfristig planen zu können, sagt Berater Edinger. Er rät daher auch zu langen Kreditlaufzeiten. Häufig sei ein Mix aus mehreren Krediten sinnvoll, um die Gesamtkosten über die Finanzierungsdauer zu drücken. Ein oder zwei Kredite kommen von der Bank, ein weiterer etwa von der Förderbank KfW. “Wenn ein kleineres Darlehen mit kurzer Laufzeit dann besonders schnell getilgt wird, kann das für die anderen Kredite Vorteile bringen, weil die Sicherheiten der Banken steigen”, sagt Edinger.

Viele Banken bieten auch die sinnvolle Option, dass Kunden während der Kreditlaufzeit den Tilgungsanteil verändern oder Sondertilgungen vornehmen könnten. So lassen sich finanzielle Spielräume nutzen, um einen Kredit möglichst schnell abzubauen.
Das hat auch Angela May aus Mettmann vor. Die Buchgestalterin denkt noch über einen Forward für ihren im Sommer 2012 auslaufenden Kredit nach. Ihre alte Kreditrate will sie beibehalten. Während sie im alten Kredit zu Beginn aber nur ein Prozent pro Jahr tilgen konnte, startet sie mit dem neuen Angebot dank niedrigerer Zinsen jetzt bei 3,75 Prozent Til-gung – bei gleicher Monatsrate. “So komm ich viel schneller vom Kredit runter”, sagt May.
Sie will ihr Haus nun über 15 Jahre finanzieren. Trotz des Aufschlags für den Forward muss sie dafür nur 4,3 Prozent Zinsen pro Jahr zahlen. Der alte Kredit kostete schon ohne Forward-Aufschlag fünf Prozent. In ihrer ursprünglichen Musterrechnung hatte ihr Berater für den Anschlusskredit noch acht Prozent Zinsen angesetzt – sicherheitshalber.

Wer mit seiner Bank verhandelt, sollte dies sehr selbstbewusst tun: Kunden, die eine Anschlussfinanzierung wollen, sind begehrt. Sie haben schon bewiesen, dass sie den Kredit bedienen können. Zudem sinkt im Laufe der Zeit die Quote aus Kreditsumme und Wert der Immobilie – die Bank bekommt also mehr Sicherheit.

Anschlussfinanzierung Alt oder neu?

Die Höhe des aktuellen Darlehenszinses und die erwartete Zinsentwicklung entscheiden darüber, ob sich eine Umschuldung lohnt.
Haus- und Wohnungseigentümer, die vorzeitig aus ihrem teuren Altkredit aussteigen, müssen die Bank für entgangene Zinseinnahmen entschädigen. Der Umschuldung zustimmen müssen Banken nur, wenn der Kreditkunde seine Immobilie verkauft oder die Bank eine zusätzliche Hypothek verweigert und eine andere Bank einspringen soll. Dann gilt für diese Entschädigung eine gesetzliche Obergrenze: Der Kunde muss maximal die Differenz aus den vorgesehenen Zinseinnahmen aus dem Kredit und einer Alter- nativanlage in Pfandbriefen erstatten.
Mit einem Forward-Kredit sichern sich Kunden schon jetzt die Anschlussfinanzierung, lassen den alten Kredit aber wie vereinbart weiterlaufen. Daher muss der Kunde der Bank hier nichts erstatten. Für den Forward-Kredit zahlt er einen Zinsaufschlag. Je früher der Forward abgeschlossen wird, desto teurer wird er.
Wenn Kunden das Laufzeitende abwarten und erst dann einen neuen Kredit abschließen, müssen sie weder Entschädigung noch Zinsaufschlag zahlen. Trotzdem kann das teuer werden – wenn die Zinsen zum Zeitpunkt des Umschuldens deutlich über den aktuellen liegen.
Die Musterrechnung gilt für einen Kunden, der in zwei Jahren umschulden will.

Die Rechnung geht davon aus, dass der Eigentümer beim sofortigen Umschulden gegen Vorfälligkeitsentschädigung einen neuen Kredit zu vier Prozent Zins bekommt. Wegen der Vorfälligkeitsentschädigung lohnt diese Option nur, wenn der Forward-Zins und der für 2013 erwartete Kreditzins deutlich über vier Prozent liegen. Im Beispiel rechnet sich das sofortige Umschulden erst ab einem Zins von 5,5 Prozent für Forward und Neuabschluss 2013. So viel muss aber derzeit kein Kunde für einen Forward zahlen.
Hoyer, Niklas

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